1. Warum wurde Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen wie der Kaiserstraße und Rheinallee aufgehoben?
Der Mainzer Stadtrechtsausschuss hat die sofortige Aussetzung von Tempo 30 auf den zentralen Verkehrsachsen angeordnet. Hintergrund ist ein Widerspruch eines Bürgers, der die Verhältnismäßigkeit des Tempolimits anzweifelte. Ein Gutachten zeigte, dass die Schadstoffbelastung bei Tempo 50 nur geringfügig höher ist – und trotzdem deutlich unter den aktuellen gesetzlichen Grenzwerten liegt. Daher ist der städtische Rechtsausschuss der Meinung, dass die Anordnung von Tempo 30 ihre Gültigkeit verloren hat.
Die Verwaltung sieht das anders, weil die Grundlage für die Anordnung der immer noch rechtsgültige Luftreinhalteplan ist. Unbestritten ist, dass Tempo 30 zu einer besseren Luftqualität führt. Emissionen von Schadstoffen wie Stickoxiden werden reduziert, unter anderem weil weniger stark beschleunigt und gebremst wird.
Die öffentliche Kritik, die Verwaltung habe einen Fehler gemacht, da die Tempo-30-Regelung trotz Kenntnis des einschlägigen Gutachtens erst mit rund vier Wochen Verzögerung aufgehoben wurde, ist falsch. Da die Verkehrsverwaltung dezidiert anderer Auffassung war, wollte sie ihre Argumente zunächst bei der nächsten Sitzung des zuständigen Stadtrechtsausschusses vortragen. Nachdem dort der Argumentation der Verwaltung nicht gefolgt wurde, begann die sofortige Umsetzung.
2. Was passiert mit bereits gezahlten Bußgeldern für Tempo-30-Verstöße?
Diese behalten weiterhin Gültigkeit, da die Aufhebung von Tempo 30 erst mit dem Beschluss des Rechtsausschusses erfolgte. Somit erfolgt keine rückwirkende Rückzahlung.
3. Welche Folgen hatte Tempo 30 bisher für Mainz?
- Die Luftqualität verbesserte sich messbar.
- Die Verkehrsunfälle nahmen drastisch ab.
- Die Lärmbelastung wurde reduziert.
4. Was spricht allgemein für Tempo 30 in Städten wie Mainz?
Zunächst natürlich der Dreiklang aus sauberer Luft, weniger Lärm und weniger Unfällen. In allen Städten, in denen Tempo 30 gilt, nahmen vor allem die tödlichen Unfälle deutlich ab.
Mit Blick auf den Lärm: Eine Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 auf 30 km/h senkt den Verkehrslärm um 2 bis 3 Dezibel. Dies wird vom menschlichen Ohr als eine Halbierung des Verkehrsaufkommens wahrgenommen. Dies führt zu einer ruhigeren und angenehmeren Umgebung.
Aber es gibt weitere Aspekte:
- Generell mehr Sicherheit im Straßenverkehr.
- Nach der Unfallforschung sinkt bei Tempo 30 die Schwere von Unfällen deutlich. Der Bremsweg verkürzt sich erheblich, und die Aufprallenergie bei einem Unfall ist geringer, was die Überlebenschancen von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen deutlich erhöht.
- Bessere Erkennung von Gefahren: Bei niedrigeren Geschwindigkeiten haben Autofahrer*innen mehr Zeit, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren.
- Fußgänger*innen sind bei niedrigeren Geschwindigkeiten erheblich besser geschützt.
- Tempo 30 bedeutet mehr Sicherheit für Kinder, ältere Menschen und mobilitätseingeschränkte Personen im öffentlichen Raum.
- Tempo 30 heißt mehr Sicherheit und Komfort im Radverkehr: Geringere Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen Autos und Fahrrädern sorgen dafür, dass sich mehr Radfahrer*innen auf die zentralen Verkehrsachsen wagen.
- Gleichmäßigerer Verkehrsfluss: Bei angepasster Ampelschaltung kann Tempo 30 zu einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss führen, da weniger abrupte Brems- und Beschleunigungsvorgänge stattfinden. Auf Hauptverkehrsstraßen kann Tempo 30 die Fahrzeiten zwar geringfügig verlängern. Studien zeigen jedoch, dass diese Verlängerungen oft im Sekundenbereich pro Kilometer liegen und im Gesamtkontext des städtischen Verkehrsnetzes oft nicht signifikant sind.
- Nachts sorgt die geringere Lärmbelastung für einen besseren und gesünderen Schlaf.
- Tempo 30 beruhigt den öffentlichen Raum und erhöht die Aufenthaltsqualität.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass Tempo 30 für mehr Lebensqualität in Mainz sorgt!
5. Wie soll Tempo 30 in Mainz künftig abgesichert werden?
Die Stadt Mainz will Tempo 30 über den Lärmaktionsplan auf eine andere rechtssichere Grundlage stellen.
Vorteile:
- Gerichte erkennen Lärmschutz als legitimen Zweck für Tempolimits an.
- Die Argumentation über die Lärmbelastung ist ein starkes, breit akzeptiertes Zusatzargument, was Luftreinhalte- oder Sicherheitsgründe ergänzt.
- Rechtsgrundlage: § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO i. V. mit dem Lärmaktionsplan.
6. Wie funktioniert die rechtliche Umsetzung konkret?
- Die Stadt Mainz kann sich auf den bereits existierenden und jüngst aktualisierten Lärmaktionsplan beziehen.
- Zudem wurde ein ergänzendes Lärmgutachten erstellt.
- Auf übergeordneten Straßen (Landes-, oder Bundesstraßen) muss die verkehrsrechtliche Anordnung für Tempo 30 durch die Untere Verkehrsbehörde (Stadt) beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) für die betroffenen Straßen beantragt werden.
- Gesetzlich muss die Kommune alle fünf Jahre ihren Lärmaktionsplan fortschreiben, es erfolgt also regelmäßig eine Überprüfung der Situation.
7. Welche Rolle spielen neue EU-Grenzwerte zur Luftbelastung?
Die große Tendenz geht in Richtung geringere Schadstoffbelastung für die Bürger*innen. Die EU folgt zum Teil den gesundheitlichen Empfehlungen der WHO und hat verschärfte Grenzwerte für Luftschadstoffe ab 2030 bereits im letzten Jahr beschlossen. Bis 2026 muss Deutschland diese in nationale Gesetzgebung gießen.
Die Grenzwerte etwa für Stickstoffdioxid (NO2) werden zukünftig nur noch 20 µg/m³ statt bisher 40 µg/m³ betragen. Diese Grenzwerte würden in der heutigen Situation in Mainz überschritten. Das heißt: Auch wenn Tempo 30 aktuell nicht zwingend nötig ist, ist es eine kluge und sinnvolle Maßnahme, präventiv auf 2030 hinzuarbeiten. Mainz sollte daher unter Berücksichtigung der Rechtssicherheit vorausschauend und vorbereitend handeln.